Zukunftsvision

„Wir sehen uns, tschüss!“ – Ich verabschiede meinen Freund Stefan und lege auf. Wobei… Das Wort „Auflegen“ kommt ja vom Auflegen des Telefonhörers auf die Gabel. Die Telefone, die heutzutage noch so funktionieren, haben schon Seltenheitswert. Eigentlich mache ich gar nichts. Das Telefon erkennt, dass wir mit dem Telefonat aufhören möchten und beendet die Verbindung von ganz alleine. Wie es das macht? Keine Ahnung. Ich glaube, es hört mit und ist darauf programmiert, bestimmte Änderungen in der Tonhöhe der Gesprächspartner und spezielle Verabschiedungsfloskeln zu erkennen und dann einfach, ja, aufzulegen.

Mein Smartphone piepst. Es signalisiert, dass jemand vor meiner Wohnungstür steht. Ich drücke eine Taste und die Gegensprechanlage verbindet sich über das Internet mit meinem Handy: „Ja?“
„Hi, hier ist Timo. Ich bin was früh dran, tut mir leid. Bist du noch nicht zu Hause?“
„Nein, ich bin noch im Bus. Aber ich brauche nicht mehr lange. Du kannst ja schon mal einen Tee kochen, bis gleich!“ Auch die Gegensprechanlage beendet das Gespräch automatisch.

Timo ist immer zu früh. Aber egal, ich lasse zu Hause das Schloss aufschnappen und kann auf dem Handy mitverfolgen, dass die Tür sich öffnet und wieder schließt. Kurz darauf meldet der Sensor in der Küche eine Bewegung. Okay, er kocht Tee. Da kommt eine Nachricht von ihm: Kannst du mir das WLAN freischalten? Ich muss kurz telefonieren. Ich öffne das drahtlose Netzwerk bei mir zu Hause für sein Mobiltelefon. Danke! Bis gleich. Die Sensoren melden, dass er sich jetzt im Wohnzimmer befindet. Sicher telefoniert er gerade, das ist der passende Zeitpunkt für einen kleinen Gag.

Ich öffne die Applikation für Wandhintergründe und scrolle durch die Bilder. Schneebedeckte Hügel, Bikinis am Strand, Hochhäuser im Big Apple. Ah, das ist gut: Ein psychodelischer 90er-Jahre-Mix aus abgerundeten Rechtecken. Absolut hässlich und absolut passend. Ich starte die Software bei mir zu Hause, wähle den Effekt aus und tippe auf den „Anschalten“-Button. Im gleichen Moment färbt sich die Tapete in meinem Wohnzimmer in den schlimmsten Neonfarben. Timo wird buchstäblich Augen machen!

Einige Minuten später: Du bist so gemein! Ich hab vor Schreck meine Mutter angebrüllt!
Ich schreibe zurück: Haha, schöne Grüße beim nächsten Telefonat. Übrigens: Das Teewasser ist fertig.

Autofahren

In der letzten Zeit fällt mir zunehmend auf, dass sich mein Autofahrstil verändert. Vor ein paar Jahren bestand der große Spaß noch darin, schnell oder kurvig zu fahren – eben das, was man allgemein als „sportliche Fahrweise“ bezeichnet. (Natürlich immer im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen! Wirklich.) Natürlich musste auf der Autobahn auch immer die zulässige Höchstgeschwindigkeit ausgereizt werden: der Thrill macht’s.

Wenn ich aber heutzutage hinterm Steuer sitze, genieße ich das Fahren auf eine andere Weise. Ab und zu werde ich, gerade auf der Autobahn, von anderen Autos überholt und manchmal sitzt mir auch einer dieser Rennfahrer fast im Kofferraum. Früher bin ich dann schneller gefahren, heute werde ich stückweise immer langsamer, bis er es versteht. Dafür genieße ich das Fahren aber auch viel mehr. Laute Musik gehört nach wie vor dazu, aber ich fühle mich nicht mehr schlecht, wenn ich die erlaubten 120 km/h mal nicht einhalte.

Den Führerschein habe ich jetzt etwa zwölf Jahre – wie sieht denn wohl die nächste Phase aus? Ich stelle mir vor, wie ich mit mit gehäkelter Klorollenmütze auf der Hutablage einen dunkelgrünen, alten VW Golf fahre und die zulässige Höchstgeschwindigkeit grundsätzlich um mindestens 20 km/h unterschreite. Oder ich fahre konsequent 60 km/h, sowohl innerorts als auch auf der Autobahn. Natürlich fahre ich auf dreispurigen Straßen immer in der Mitte, um sowohl nach rechts als auch nach links ausweichen zu können, falls einer dieser Verkehrsrüpel angeflogen kommt. Die werden auch immer mehr, heutzutage lernen die Kinder ja gar nicht mehr, was richtiges Verhalten im Straßenverkehr bedeutet.

Meine Augen haben in den letzten Jahren zwar stark nachgelassen, aber da ich seit knapp dreißig Jahren – und das betone ich bei jeder Gelegenheit – unfallfrei fahre, können Neulinge mir noch lange nicht das Wasser reichen. Um besser sehen zu können, lehne ich mich beim Fahren allerdings etwas nach vorne, so dass mein Kinn fast das Lenkrad berührt. Manchmal kann ich trotzdem nicht erkennen, ob die Ampel noch rot oder schon grün zeigt, deshalb richte ich mich nach den Autos neben mir. Der Werkstattleiter hat mir gesagt, ich solle mein Auto auch mal im fünften Gang fahren, aber das vergesse ich meistens.

Doch, ich glaube, die Zukunft als Autofahrer wird schön. Hauptsache ist, dass mir der Spaß daran nicht verloren geht. Und was die anderen denken, ist ja zweitrangig.