Geträumt

«Da fällt mir ein: Letzte Nacht habe ich vielleicht einen Stuss zusammengeträumt!»

So oder ähnlich beginnen sie doch, diese Gespräche über schräge Träume. Da war dieser eine, in dem man mit dem Abteilungsleiter auf einer einsamen Insel festsaß und einer Horde Rebhühnern entkommen musste. Oder der andere, in dem man auf einer Leiter saß und auf einem rosa Keyboard spielte, das ausziehbar war.

Man. Aber was träume ich? Klar, die erzählenswerten Träume habe ich auch, sie sind amüsant. Wichtiger sind aber doch die drei anderen Arten von Träumen, die ich (oder man?) eher nicht erzähle.

Träume, aus denen ich aufwache und froh bin, nicht mehr zu schlafen. Träume, die mir Angst machen, nicht weil sie gruselig oder brutal sind, sondern weil sie mich mit einem Gefühl innerer Leere, Unausgeglichenheit, oder gar Unerfüllbarkeit wieder zurück ins Leben entlassen. «Gut, dass ich wach bin», denke ich dann, «wie schlimm wäre es wohl noch geworden?»

Träume, aus denen ich aufwache und traurig bin, nicht mehr zu schlafen. Träume, in denen ich, die anderen, ja die ganze Welt perfekt war. Situationen, die in ihrer unendlichen Vollständigkeit und Farbe das echte Leben so nie bereitstellen könnte. Träume, die zum Träumen anregen. Und gleichzeitig die Sorge aufkommen lassen, sich darin zu verlieren.

Träume, die tagsüber entstehen. Ein kurzer Blick aus dem Fenster, ein kleiner Moment innerer Ruhe – und plötzlich blitzt vor dem inneren Auge eine Idee, ein Wunsch oder ein Plan auf. Ich werde ganz aufgeregt, freue mich, plane weiter und frage mich, ob all dies nicht doch besser nur ein Traum geblieben wäre.

Drei unterschiedliche Arten von Träumen, in ihrer Art aber doch auch gleich: nicht greifbar, schillernd und voller Gefühle. Solche Träume erzähle ich den wenigsten Menschen. Denn mit Gefühlen muss man vorsichtig umgehen.

Träume träumen und Träume leben
leben und träumen und doch im Traum leben
lebendig träumen
träumen und träumen
und doch nicht vergessen können
dass es nur ein Traum ist.

Augen-Blicke

Bett

Ich spüre einen warmen Hauch auf meinen Wangen und öffne die Augen. Verschwommen erkenne ich die Zimmerdecke und erinnere mich, dass ich hier gestern mit dir eingeschlafen bin. Ich drehe den Kopf und sehe dich. Schlafend. Entspannt. Mein Herz macht einen Sprung, du bist noch da. Warum solltest du auch weg sein? Aber ich stelle fest: Es macht das Ganze noch ein bisschen besser, wenn ich mir bewusst mache, dass alles immer noch so schön ist wie gestern Abend.

Also mache ich es mir gemütlich, stütze den Kopf auf und schaue dir beim Schlafen zu. Ruhig atmest du ein und aus, die Augen geschlossen. Wo du wohl gerade bist? Und ob ich dabei bin? Hoffentlich bin ich dabei. Zumindest soll es schön sein, da wo du bist. Sollte ich nur ein Anzeichen eines schlechten Traums sehen, werde ich dich sofort wecken.

Dich wecken ist wohl nicht nötig. Du brummst etwas und bewegst dich ein bisschen unter der Decke, streckst dich langsam und… siehe da, du öffnest deine wundervollen Augen ein wenig. So verschwommen wie ich vorhin die Zimmerdecke gesehen habe, müsstest du jetzt mich sehen. Ob du mein Strahlen schon erkennst? Wahrscheinlich schon, denn auch du beginnst zu lächeln. „Mmmmh“, grummelst du leise, „guten Morgen“ flüstere ich. „Habe ich dir schon mal gesagt, dass du das Schönste bist, was ich je gesehen habe?“ Du grinst mich an. „Schleimer.“ „Wenn’s doch wahr ist“, beharre ich und kuschele mich an dich, „du kannst das ja gar nicht beurteilen.“ Du schlingst die Arme um mich und ziehst mich noch ein bisschen näher an dich heran. Ich fühle die Wärme deines Körpers und höre dein Herz, ruhig und gleichmäßig.

So liegen wir still nebeneinander, lassen den Schlaf verfliegen und hängen unseren Gedanken nach. Unter der Decke ist es herrlich warm, ich glaube, ich werde nie aufstehen wollen. Überhaupt werde ich diesen Moment niemals beenden. „Wir werden für immer hier liegen bleiben, tagträumen, reden, schlafen und durch das Fenster die Jahreszeiten beobachten“, beschließe ich. „Und was ist mit Essen? Außerdem müssen wir doch auch mal…“ „Du bist so unromantisch!“, keife ich gespielt entrüstet und drücke dir ein Kissen ins Gesicht. Du lachst hinein, doch wirst plötzlich stumm, so dass ich es weg nehme und dich fragend anschaue.

Dein Gesicht ist ernst. „Du?“ „Hm?“ „Ich bin glücklich.“ „Ich auch.“ „Nein“, sagst du, „ich meine, ich bin richtig glücklich. Rundum. Mit dir. Mit mir. Mit diesem Morgen, diesem Leben.“ Deine Augen füllen sich mit Tränen. „Ich bin gerade der glücklichste Mensch auf der Welt.“

… und dann brannte der Toaster.

Heute habe ich einen neuen Toaster erstanden, und während das „Test-Toast“ röstete, fiel mir ein, warum ich überhaupt einen neuen brauchte:

Vor einiger Zeit war abends einmal richtig Action in meiner Wohnung. Im Wohnzimmer lief Musik, einige Lichter brannten und der Computer war auch eingeschaltet – klar. Ich bewohnte damals noch 21 Quadratmeter und die Küche befand sich sozusagen im Flur. Dort brutzelte gerade ein leckeres Essen in meiner Miniküche, es roch schon ziemlich lecker. Wie das bei Pfannengerichten so ist, zischte und spritzte es auch ganz schön, dazu die Musik aus dem Nebenraum – ich hatte gute Laune.

Das Haus, in dem ich wohnte, war recht alt, und beim Bau hatte man wohl nicht eingeplant, dass da mal jemand einziehen würde, der mehr als vier Steckdosen in einem Zimmer brauchen könnte. Allein der Computer mit Drucker, Mausladegerät, Bildschirm, Lampe etc. benötigt ja schon etwa zehn, dazu kamen die Musikanlage mit ihren verschiedenen Bauteilen, der Fernseher und diverse Lichter in der Schrankwand – noch einmal vielleicht 20 Dosen. Ich hatte zwar einen richtigen Sicherungskasten mit einigen Schaltern, aber für fast den gesamten Stromkreis gab es in dieser Bude nur eine einzige Sicherung. Die anderen waren für Durchlauferhitzer und den Herd nötig.

Als Toaster hatte ich damals so ein blaues Gerät im Einsatz. Heute würde man sagen, das Design sei aus den 90ern, in Wirklichkeit war er natürlich nicht ganz so alt, aber naja. Verhängnisvoll wurde es, als ich mich entschloss, mir zum Essen eine Scheibe Brot zu toasten. Denn als ich das Ding einschaltete, passierte erst einmal nichts. Dann gab es eine Stichflamme und einen Knall – und plötzlich stand ich im Dunkeln.

Mein kleiner Toaster hatte sich in diesem Moment gebührend von mir verabschiedet und auch gleich meine gesamte Wohnung ausgeschaltet. Im ersten Augenblick fiel mir nur auf, dass die Küche dunkel war, danach merkte ich, dass natürlich auch das Wohnzimmer totenstill war. Der Computer war abgestürzt – auweia – und dort war es stockfinster. Hm, dachte ich nach der ersten Schrecksekunde, was höre ich denn dann noch?

Und dann fiel es mir auf: Der Herd hatte ja seine eigene Sicherung. Und mein Essen in der Pfanne knisterte weiter fröhlich vor sich hin, sogar nicht mal im Dunkeln. Denn die Herdbeleuchtung war glücklicherweise an den gleichen Stromkreis gebunden, so dass ich in meiner sonst finsteren und stillen Wohnung tatsächlich gemütlich zu Ende kochen konnte, bevor ich mich mit einer Taschenlampe auf die Suche nach dem Sicherungskasten machte.

Aufs Toast musste ich allerdings verzichten. Bis heute.