Anleitung zum dezenten Auffallen

13. Oktober 2025 · Kommentieren

Mir ist eine Situation von vor gut zwanzig Jahren erinnerlich, als ich an der Ampel stand und mit Blicken für bekloppt erklärt wurde. Das Lustige ist, dass das heute noch ganz genau so passieren kann.

Mein Gehirn fand wohl den Moment erinnernswert, als ich vor… inzwischen müssten es 20 Jahre sein… also als ich vor langer Zeit an einer Ampel stand. Smartphones gab es damals noch nicht in großer Zahl, und die Gesellschaft war gerade erst dabei, sich an Menschen zu gewöhnen, die sich mit einer Hand ein kleines Kästchen ans Ohr hielten und scheinbar mit sich selbst redeten.

Ich stand also da und wartete auf Grün, rechts neben mir eine andere Person. Was diese nicht sehen konnte: In meinem linken, für die Person nicht sichtbaren Ohr, trug ich einen Bluetooth-Kopfhörer, also ein kleines, kabelloses Gerät, das mit meinem Mobiltelefon verbunden war. Ich hörte Musik, in sehr schlechter Audioqualität, aber das war mir die technische Spielerei wert. Da bekam ich plötzlich einen Anruf und dachte, komm, gehst du halt ran. Also begann ich das Telefonat und fing äußerst seltsame Blicke von neben mir auf.

Aber man muss sich das auch mal vorstellen: Ich stand da, beide Hände in den Hosentaschen, und führte ein Gespräch mit offensichtlich niemandem außer mir selbst. Inzwischen hat sich die Gesellschaft an solche Leute gewöhnt, und wenn man heute aufmerksam durch die Fußgängerzone geht, sieht man häufiger Menschen, die in irgendwelche Mini-Mikrofone sprechen, die man auf den ersten Blick gar nicht erkennt.

Warum ich das erzähle? Anfang des Jahres schaffte ich es trotzdem, verdatterte Blicke zu ernten. Da lief ich nämlich bei einem meiner Spaziergänge abends durchs Dörfchen, es war dunkel, nur wenige Menschen unterwegs, und es war ziemlich kalt. Also trug ich eine Mütze und eine Kapuze, die die kleinen Bluetooth-Kopfhörer in meinen Ohren verdeckten. Da bekam ich einen Anruf und es kam wie es kommen musste. Ich spazierte fröhlich telefonierend durch die Straßen, die Hände natürlich wieder in den Hosentaschen und wurde ab und zu angeschaut, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Wir lernen, und damit widerspreche ich mir selbst: Es ist auch im Jahr 2025 überaus abwegig, dass jemand unsichtbare Kopfhörer trägt.


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