Über den Kauf von Onlinemedien

Kürzlich habe ich einen Film bei einem Streaminganbieter geliehen. Das läuft überall gleich: Nach der Bezahlung hat man 30 Tage, um den Film erstmalig anzufangen und mit Start des Films noch ein paar Stunden Zeit, ihn zu beenden, meist 48. Danach verschwindet er aus der Mediathek. Das funktioniert ähnlich wie bei den VHS-Kassetten, die man damals in einer Videothek auslieh – die Älteren werden sich erinnern.

Beim Kauf von Streaming-Videos ist das anders: Man bezahlt, hat den Film danach für immer in der eigenen Mediathek und kann ihn so oft anschauen, wie man will. Nun ja: „Für immer“ ist ein langer Zeitraum. Was, frage ich mich schon länger, ist denn, wenn der Anbieter den Film aus seiner eigenen Mediathek löscht, also die Lizenz selbst nicht weiter bezahlt? Stellt sich raus: Dann verschwindet der Film auch aus meiner eigenen Liste und ist weg. Mein „Kauf“ ist also nur ein „längerfristiges Nutzungsrecht“, das so lange gilt, bis der Anbieter es sich anders überlegt (so erst kürzlich bei Sony passiert). Wieso darf dann überhaupt der Begriff „Kauf“ genutzt werden, wenn es doch eher eine Dauerleihgabe mit unbestimmtem Ende ist?

In diesem Zusammenhang fand ich den ziemlich deutlichen und teilweise auch bösen Text „If buying isn’t owning, piracy isn’t stealing“, der die Problematik auf ein ganz anderes Level hebt: Wenn meine Filme weg sind, ist das ärgerlich. Aber diese Kauf-Leihgabe-Problematik trifft andere Menschen viel härter: So sind für manche User deren in Photoshop erstellten Bilder nicht mehr benutzbar, weil sie Farben verwendet haben, deren Lizenz bei Adobe jetzt ausgelaufen ist. Wer mit Fotos Geld verdient, für den kann das existenzbedrohend sein.

Nicht nur deswegen kaufe ich seit mehreren Monaten eBooks in einer digitalen Buchhandlung: Bei Genialokal erhalte ich die eBooks als Datei zum Download. Sie gehören dann mir, ich kann sie auf beliebigen Geräten lesen und in mein digitales Regal stellen. Gehen sie dort verloren, lösche ich sie also versehentlich vom Server, bin ich selbst schuld – ganz genau so wie damals bei der gekauften VHS-Kassette.

Christine

Im Kindergartenflur war mein Kleiderhaken der mit dem Elefanten. Das konnte ich mir gut merken, ich mochte den Elefanten. Manchmal pfiff ich, wenn ich meine Jacke dort aufhängte, vielleicht tat ich auch nur so, weil ich noch gar nicht pfeifen konnte, ich weiß es nicht mehr. Neben meinem war der Kleiderhaken mit der Banane, da hing Christine ihre Sachen auf. Und wenn wir nebeneinander standen, pfiff sie manchmal mit. Dann guckten wir uns an, mussten losprusten und kicherten dann noch eine Weile.

Christine wohnte nur ein paar Meter vom Kindergarten entfernt und konnte schon allein nach Hause laufen. Manchmal holte ihre Mutter sie trotzdem ab, und bei Festen sah ich sie natürlich auch. Sie hatte tief eingefallene Augen, und anfangs fanden wir anderen Kinder das gruselig. Sie war aber ungemein freundlich.

Manchmal besuchte ich Christine zu Hause. Sie wohnte in einem alten Haus mit schiefen Wänden, knarzendem Holzboden und sehr hellem Wohnzimmer, das nie aufgeräumt und sehr gemütlich war. Sie hatte die größte Sammlung PETZI-Comics, die ich je gesehen habe und manchmal durfte ich ein paar davon ausleihen. Hinter dem Haus war ein kleiner, verwilderter Garten, in dem wir im Sommer spielten.

Einmal machte ihre Mutter uns Brote mit zähem, weißen Honig. Sie waren so lecker, dass ich eins nach dem anderen verschlang. Später fragte Christines Mutter meine Mutter, ob ich zu Hause denn genug zu essen bekäme. Wenn ich jetzt im Supermarkt vor der Brotaufstrichauswahl stehe, denke ich an die Honigbrote, wie sie in der Küche auf einem Holzbrett lagen.

Heute habe ich Christine im Internet gesucht. Bei den Fotoergebnissen erkannte ich sie sofort wieder, obwohl ich sie über dreißig Jahre nicht gesehen habe. Sie arbeitet an einer Universität und ist auf YouTube zu sehen, wie sie ihre Forschung vor einem Plenum vorträgt.

Ihre Stimme erkenne ich nicht wieder, aber ihr Lächeln. Sie könnte mir nur vertrauter sein, wenn sie dabei ein Honigbrot in der Hand hielte.

Fenstergucken

In der Nachbarschaft wird in der Winterzeit ein komplettes Wohnzimmer zum Schaufenster, mit Gerüst für kleine Fans und Knopf zum Starten der Züge: In dem Zimmer ist nämlich ein Winterwonderland aufgebaut, mit Eisen- und Gondelbahn, Häusern und Dorfromantik. Wenn ich da vorbei gehe, steht fast immer jemand dort und guckt. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene.

Bald wird alles wieder abgebaut

Wenn ich an der Menschheit zweifle, gehe ich da hin, und gucke auch ein bisschen.