WMDEDGT – 5. September 2025

5. September 2025 · Kommentieren

In meinem heutigen #WMDEDGT bin ich jahrestaggedenkender, magenverstimmter Tourist in Belgien.

In der Ferienwohnung im belgischen Gent wach geworden. Anders als dieser Tage üblich sogar noch vor 8 Uhr, das muss ein Versehen sein. Ich habe Urlaub, und warum sollte man da ohne Not zu nachtschlafender Zeit aufwachen.

Dieser Tag ist für mich ein Gedenktag. Denn ein guter Freund wäre heute 40 Jahre alt geworden, wenn er sich nicht vor neun Jahren entschieden hätte, vorzeitig zu gehen. Manchmal vermisse ich ihn. Ich beschließe noch im Bett, heute alles in dem Bewusstsein zu tun, dass das Leben lebenswert ist, und es nach Möglichkeit zu genießen. Das ist nämlich etwas erschwert: Gestern waren wir in einem Fischrestaurant in Frankreich und die überaus unfreundliche Bedienung, die deswegen kein Trinkgeld bekam, tritt offenbar nach, indem sie mir einen leicht verdorbenen Magen schickt. Darum muss heute alles etwas langsamer sein.

Meinen Plan setze ich trotzdem nach dem Duschen um: Es gibt erstmal Tee und ein Croissant zum Frühstück. Mein Freund hat ein paar Onlinebesprechungen, das kommt mir ganz gelegen. Ich höre Musik, spiele ein Spiel und mache zwischendurch einen kleinen Spaziergang zum nächsten Supermarkt für etwas Obst.

Gegen Mittag geht’s in die Innenstadt zum Flanieren. Es ist voll, sehr voll sogar, denn das Wetter ist gut und ich denke, die Sonne lockt nicht nur Touristen vor die Tür. Auch viele Genter sind draußen, der Sprache und den Besorgungen nach zu urteilen. Ganz deutlich wird das bei den Studierenden oder Oberstufenschülerinnen und -schülern: Pünktlich im 16 Uhr kommen die aus irgendwelchen Katakomben und bevölkern die Gegend, was der ganzen Stadt ein geradezu vibrierend aktives Flair verschafft. Überall Schulranzen, Lachen, Schubsen, Flirten und dazwischen die allgegenwärtigen Räder.

In Gent wird nämlich so viel Rad gefahren, wie ich es bisher nur in Münster wahrgenommen habe. Erstens hat hier fast jede Straße einen abgetrennten Radweg, der auch separat markiert ist. Zweitens agieren die Radfahrenden sehr selbstsicher und rauschen nur so durch, sie fließen gleichberechtigt mit dem Autoverkehr, statt sich ihm unterzuordnen. Als Fußgänger wurde ich hier schon einige Male angeklingelt, weil ich im Weg stand. Alles sehr beeindruckend. (In meiner Heimatstadt Bonn wird gerade heiß über separate Radwege diskutiert, die von einer Hauptverkehrsstraße abgezwackt wurden. Genau diese Aufteilung wird in Gent wie selbstverständlich umgesetzt, da haben wir noch viel zu lernen.)

Wir essen etwas. Die Bedienung ist sehr verwirrt und fragt vier Mal nach. Später erfahren wir, dass es sein erster Tag ist, und mein Ärger schlägt in Verständnis um. Ich will mir nicht ausmalen, wie stressig es ist, bei diesen Touristenmassen neu anzufangen und dann auch noch die Bestellsoftware auf dem Tablet kennenzulernen.

Die Zahl der alten Häuser in Gent ist absolut beeindruckend, genauso auch die der Kirchen und Türme. Zudem ist die Stadt von Flüsschen durchzogen, zwischendurch und mit einem zugedrückten Auge sieht es hier glatt wie in Venedig aus. Und all das auf vergleichsweise kleinem Raum! Toll. Das Essen liegt uns beiden aber schwer im Magen und wir sind müde, also geht’s zurück in die Ferienwohnung. Das dauert ein Weilchen, weil sie außerhalb liegt. Zuhause angekommen plumpsen wir förmlich ins Bett, plötzlich ist 19 Uhr, och ja.

Ich wollte das Leben heute ja ganz besonders genießen und das hat im Rahmen der Möglichkeiten geklappt: Ein gemütlicher Morgen, tagsüber Sightseeing, abends wieder gemütlich. Ich bin froh, dass ich jemanden an meiner Seite habe, der diese Art von langsamem Urlaub ebenfalls genießt und der keinen 18 Stunden-Tourismusmarathon verlangt.


„Was machst du eigentlich den ganzen Tag“, kurz #wmdedgt, ist eine Idee von Frau Brüllen zur Förderung der Kultur des Tagebuchbloggens und findet an jedem 5. eines Monats statt.

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