Das war der August 2023

Welchen Tenor ein Monatsrückblick erhält, hängt stark von der Verfassung ab, in der man ihn schreibt. Insgesamt war mein August wenig erfreulich, und das trotz zwei Wochen Sommerurlaub. Bevor der aber begann, kraulte ich einen Bürohund, der sich bei meinem Anblick direkt auf den Rücken warf und mich kurz danach vorwurfsvoll anstarrte, als ich die Knuddelei für beendet erklärte, um sein Frauchen zu suchen. Er hatte sich das wohl anders vorgestellt, so hat eben jeder im Büro eine Aufgabe zu erfüllen.

Später dann eine kleine Weiterbildung zum Thema Datenschutz. Dass es USB-Kabel gibt, die an öffentlichen Plätzen zurückgelassen werden, damit ahnungslose Opfer sie zum Laden benutzen, und die dann heimlich Daten des angeschlossenen Gerätes an die Betrüger senden können, wusste ich noch nicht. Also: niemals unbekannte USB-Kabel zum Laden nutzen. Immer eigene mitbringen und direkt an Steckdosen laden, nicht an nebulösen Datenanschlüssen. Und wer heutzutage noch Papier mit vertraulichen Informationen ungeschreddert in den Papiermülleimer wirft, ist ja fast selbst schuld. (Es gibt wirklich Böswillige, die in Mülltonnen nach Informationen graben.)

Seit Ostern habe ich starke Rückenprobleme, war länger krank geschrieben und kratze seit der „Gesundschreibung“ ständig an der nächsten Krankmeldung. Im August bestanden meine Erfolge darin, stundenweise weniger Schmerzen zu haben oder ohne Sorge vor einem Rückfall einkaufen oder gar in die Innenstadt zu fahren. Ich bin damit aber weit von einem Leben entfernt, das ich für mich als normal definieren würde und je nach Verfassung bin ich mal motiviert und mal denke ich, dass ein vorgezogener Winterschlaf wohl die bessere Lösung wäre. Aber Ärzte, Physiotherapeutin und eigene Bubble werden nicht müde „hab Geduld, das dauert lange“ zu sagen, also versuche ich das.

Gut auszuhalten war das schöne Regenwetter, bis es im August pünktlich zu meinem Urlaub leider mit der nächsten Hitzewelle endete. Bis dahin war mir noch ein herrlich verregnetes Wochenende zu Hause vergönnt, das ich mit etwas Haushalt, Lesen, Spielen und auch damit verbrachte, dem Wasser zuzuschauen, wie es an den Fensterscheiben herunter lief. Herrlich, ich freu mich wie Bolle auf den Herbst. Im Podcast „Quarks Daily“ erfuhr ich, dass eine Studie vier Wettertypen identifiziert hat:

  1. Liebt Sommer
  2. Hasst Sommer
  3. Liebt Regen
  4. Wetter egal

Ich bin Nummer 2. Schnee ist auch gut, darum bin ich nicht die 3. Die Hitze ist unter anderem deshalb so nervig, weil dann lauter komische Insekten in der Bude auftauchen. Nah an der Natur zu wohnen hat eben auch Nachteile. Ich zitiere aus meinem Tagebuch:

Heute habe ich eine nervige grüne Fliege mit dem Elektro-Tennisschläger-Fliegentötungs-Dings im Flug erwischt. Sie zuckte noch, war möglicherweise nur betäubt, also ließ ich sie genüsslich auf den eingeschalteten Elektroschocker fallen. Es gab einen Blitz und einen Knall – diesmal war die Sache endgültig. Bei den Biestern kenne ich keine Gnade.

(Einige Tage später bekam ich selbst eine gewischt – ausgleichende Gerechtigkeit.)

In der oben genannten Podcastfolge geht es auch ums Selbermachen. „Do it yourself“ lässt manchmal Geld sparen, ist oft aber viel teurer als online Geshopptes und die Herstellung dauert natürlich auch wesentlich länger als die heutzutage übliche Lieferzeit. Aber es tut sehr gut, etwas selbst Erschaffenes in den Händen zu halten, sei es nun ein Vogelhäuschen, ein Pulli oder die Erde fürs Blumenbeet vor dem Haus. Ich fragte mich beim Podcasthören aber, ob denn ein nicht anfassbarer Blog wohl gleiche Gefühle hervorruft. Es hieß zwar dort, nein, dem sei nicht so, aber das klang eher wie eine Meinung. Ich für meinen Teil finde: doch, digitale Werkserzeugnisse machen zufrieden, wenn auch vielleicht etwas weniger als beispielsweise ein selbst gebastelter Stiftehalter.

Selbst gemacht war diesmal auch der Frisörbesuch. Ich kannte mal jemanden, der sich auf dem Stuhl unter dem Plastikmäntelchen so gut entspannte, dass er fast einschlief. Ich bin da eher das Gegenteil. Festgenagelt auf dem Sitz, für eine unbekannte Dauer ergeben in die Hände eines fremden Menschen und dann auch noch ständig dessen Knoblauchatem in der Nase. Haareschneiden ist ein notwendiges Übel. Mit Beginn der Pandemie hat sich die Routine bei mir aber verbessert und findet seither in der heimischen Badewanne statt. Ich habe inzwischen dadurch viel Geld gespart, aber auch einige Male verdutzte Blicke geerntet, wenn der Heimschnitt misslungen war. Egal, wächst ja nach.

Eines Abends packte es mich und ich veranstaltete eine Art Frühjahrsputz, von dem niemand je etwas sehen wird: Ich räumte meine digitalen Kalender auf. Mehrere Kalenderabonnements mit Feiertagen in ganz Deutschland und anderen Ländern hatten sich mit der Zeit eingeschlichen und ganz ehrlich: das bringt überhaupt nichts. Was hilft es mir zu wissen, dass in Bayern oder in China heute frei ist? Ich löschte die Abos alle, fand eines für Nordrhein-Westfalen und schob einige Serientermine aus dem alten Googlemail-Kalender zu Posteo. Außerdem gönnte ich dem Mac eine neue Kalender-App. Herrlich aufgeräumt hatte ich, fand es aber schade, dass ich am Ende nicht mal einen digitalen Papierkorb leeren konnte. Da haben wir ihn wieder, diesen nicht anfassbaren Erfolg.

Manche Teile der Vergangenheit bleiben ja für immer in einem stecken wie ein tief eingewachsener Splitter, der nur weh tut, wenn man versehentlich auf die Stelle drückt. Es gibt da einen Menschen, der mir vor fast 30 Jahren viel bedeutete und in diesen Tagen erhielt ich die Nachricht, dass er schwer krank ist. Es könnte und sollte mir vielleicht egal sein, aber so funktioniert der Kopf halt nicht. Ich fände es sehr seltsam, wenn sich längst aus dem Leben verabschiedete Menschen bei mir mit der Begründung meldeten, sie hätten über Ecken erfahren, dass dieses oder jenes mit mir sei. Und trotzdem dachte ich darüber nach, mich zu melden, aber nur ganz kurz. Also denke ich einfach so an ihn, viel zu jung für das Leid, ich drücke Daumen.

Irgendwann dann mein Geburtstag. Kurz nach Mitternacht schlief ich ein und dachte noch „hoffentlich geht der Tag schnell vorbei“. Ich habe kein Problem damit, ab und zu meinem Alter 1 hinzu zu zählen, ich mag nur den Trubel nicht, der an Geburtstagen gerne um einen gemacht wird. Darum versuche ich seit einigen Jahren erfolgreich, diesen bei mir abzuschaffen und darum wurde der Tag doch ziemlich gemütlich: Es gab Sahnetorte in einem Café und abends spontanen Gästebesuch (nach Ankündigung, Überraschungs-vor-der-Tür-Stehen geht gar nicht), bei dem das eine oder andere Gläschen geleert wurde. Trotzdem: Erstmal genug soziale Interaktion für eine Weile.

In der Zeit war es immer noch so eklig heiß. Auf Tiktok sah ich ein Limonade-Rezept und probierte es aus. Die Zutaten waren überschaubar, ich brauchte nur Zitronen, Zucker und Wasser. Das Ergebnis war gut, vielleicht ein bisschen sauer, ich muss noch mit dem Mischungsverhältnis herumspielen, das aber wohl erst im nächsten Sommer.

An einem der heißen Tage dann Treffen mit einer Bekannten in der Innenstadt. Immerhin wehte ein Lüftchen und machte das Wetter erträglich. Wir saßen in einem Restaurant, schauten Passanten zu und ich lernte beim Essen etwas über mehrere Menschen in einem Körper. Auf Deutsch wird das wohl Dissoziative Personlichkeitsstörung genannt; der Flyer, den ich erhielt, nannte es auf Englisch einfach Plurality, also „Vielzahl“. Ich frage mich, wie vielen Menschen ich schon begegnet bin, die mehr Personen waren als eine. Abends las ich auf Morethanone ein bisschen weiter. Diese Krankheit, wenn man sie denn so nennen kann, spielt in meinem Umkreis überhaupt keine Rolle und ich bin froh, wenigstens mal ein paar Begriffe gesehen zu haben.

Dieser Tage musste ich meine Kenntnisse im Verabreichen von Thrombosespritzen wieder auffrischen. Die Arzthelferin: „Keine Ahnung wie man die bedient, ich kann Spritzen nicht sehen.“ Die Apothekerin: „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie man die verabreicht, ich musste das noch nie machen. Aber beim Arzt hat man Ihnen das sicher erklärt…?“ Schon okay. Ich befragte also die einen Quadratmeter große Packungsbeilage und das Internet. Diese Spritzen für den Heimgebrauch können sich nach der Anwendung mit einem Stechschutz verschließen, das ist insbesondere bei tollpatschigen Menschen wie mir eine sehr wertvolle Funktion. Als nächstes bitte welche erfinden, die nicht weh tun (weder an der Einstichstelle, noch in den Herzen aller Beteiligten).

Im August erschien die dritte Staffel von „The Witcher“ auf Netflix. Ich habe das Spiel rund um die Geschichte des Monsterjägers Geralt von Riva mehrfach und sehr gerne gespielt, aber mit der Serie wurde ich nicht allzu warm. Trotzdem schaute ich sie nochmal von vorne, weil ich komplett vergessen hatte, was darin vorkam. Bezeichnend. Die erste Staffel ist völlig wirr und unverständlich aufgebaut, die zweite und dritte glätten alles ein wenig. Dafür wird Geralts Charakter immer weiter verwaschen und da wundert es nicht, dass dessen Schauspieler Henry Cavill jetzt aus der Serie aussteigt. Womöglich will er künftig lieber wieder Superman sein.

Gleichzeitig mit Henry Cavill überlege ich, Netflix den Rücken zu kehren, und zwar weil Spotify die Preise erhöht hat (nicht in Deutschland, aber das ist sicher nur eine Frage der Zeit). Als Alternative zu den beiden Streaminganbietern wäre ein Komplettpaket von Apple günstiger. Das Musikangebot ist bei Spotify und Apple nahezu identisch, aber bei der Filmauswahl ist der Unterschied zu Netflix beträchtlich: Apple hat viel weniger Filme im Repertoire. Soll ich also tschüss zu einem unüberschaubar großen Serienangebot sagen und zu einem weniger großen aber immer noch riesigen wechseln? Klingt wie ein no-brainer. Aber einige der Serien sind mir ans Herz gewachsen und das ist wohl dieses Nicht-Loslassen-Wollen von Dingen, die wir eigentlich gar nicht ernsthaft benötigen. Wie das T-Shirt, das ich nicht weggebe, weil so viele Erinnerungen daran geknüpft sind oder dieses bestimmte Buch, das im Schrank steht und vorwurfsvoll wispert: „Verschenk mich endlich, du liest mich doch eh nicht nochmal.“

Statt diesem habe ich im August unter anderem ein Buch von André Aciman gelesen. Er ist der Autor von „Ruf mich bei deinem Namen“, das später auch verfilmt wurde, eine Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Männern in den 80ern in Italien – allein das schöne Setting mit einer Villa voller Gemütlichkeit und einem kleinen Dörfchen lohnt sich schon. Im Nachfolger „Finde mich“ treffen die beiden Hauptpersonen erneut aufeinander, aber eher nebenbei. Auch dieses Buch mochte ich, man darf nur keine Fortsetzung des ersten Buchs erwarten. Deswegen dachte ich aber nicht lange nach und kaufte neulich mit „Fünf Lieben lang“ mein drittes Buch des Autors. Darin geht es um – Überraschung – fünf Liebesgeschichten eines Menschen. Manchmal dachte ich, Aciman schreibt über mich, so treffend war es formuliert. Anderswo schwadronierte er allerdings auf seine übliche Art und Weise, anders als bisher auch mal ganze Kapitel lang, das fand ich teilweise doch etwas anstrengend.

Überhaupt nicht anstrengend war hingegen der halbjährliche Zahnarztbesuch: Ich bekam sowohl bei der Zahnreinigung als auch beim Check jeweils ein Kompliment für den Zustand meiner Zähne. So macht das Spaß! Ganz zum Ende des Monats kam dann noch ein Arzttermin dazu (übrigens per Videotelefonie, wie großartig ist das bitte): Die schon genannten Rückenprobleme vermengen sich mit allerlei anderen Einschränkungen zu einer Art Teufelskreis, und egal, welchem Problem ich mich widme, die anderen werden schlimmer. In manchen Momenten macht sich darum eine Art von Hilflosigkeit in mir breit, die ihrerseits auch alles andere als gesund ist. Die Ärztin hätte mich sofort krank geschrieben, was nett aber nicht erforderlich war, und dröselte dann die Probleme auf und vermerkte gleich einmal einen Termin bei einer inhäusigen Fachperson für zumindest eines davon. Mal sehen. Ich bin, wenn überhaupt, verhalten optimistisch.

Und genau so – wenn überhaupt, dann verhalten optimistisch – starte ich in den September. Es stehen Dinge an und ich glaube, einer meiner Fehler ist es, den (jetzt herrlich übersichtlichen) Kalender als großes Ganzes zu betrachten und fälschlicherweise festzustellen, dass ich unfassbar viel zu tun hätte. Statt einfach tageweise drauf zu schauen und zu merken, wie viel entspannender Freiraum da zwischen den Terminen tatsächlich drin steckt. Vielleicht ist das ein guter Neumonatsvorsatz: bewusster nur einzelne Tage zu leben.

Als allerletztes streichelte ich wieder den Bürohund, diesmal etwas länger als beim ersten Mal. Vorwurfsvolle Blicke bekam ich danach trotzdem.


Bild von Tim Hill auf Pixabay

2 Kommentare

  1. Danke für den Hinweis doch mal in den Schreiblehrling hineinzuhorchen.
    Sehr interessant, was du so an Themen ansprichst.
    Eigentlich könntest du dich an die Trombose-Spritzen erinnern, die ich mir selbst geben musste. Der Pelikan war der Ablenker bei den abendlichen Manövern. Erinnerst du dich?

    1. Allerdings! Niemand traute sich, dir diese schrecklichen Spritzen zu geben und dann musstest du es SELBST erledigen! Im August wünschte ich mir, das seinerzeit gelernt zu haben 😉

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert