Ein Besuch im afrikanischen Restaurant

Jemand schneidet Frühlingszwiebeln auf einem Holzbrett

„Schau mal, im Internet gibt’s dieses Angebot… zwei Hauptgerichte zum Preis von einem… ganz schön günstig!“

So fing das alles an. Und am nächsten Tag öffnete ich die Tür zu etwas, von dem ich dachte, es sei ein Restaurant. Auf den ersten Blick sah es aber eher aus wie eine Art Wohnzimmer. Ein recht kleines Wohnzimmer. Mit einer Bar darin. Und mit Gartenstühlen.

Ich war verwirrt.

Also, dieses Wohnzimmer nennt sich selbst ein Bistro, aber meiner Meinung nach passt das nicht. Egal: Man bekommt dort afrikanisches Essen serviert, und darum geht’s schließlich. Wobei, so einfach ist das auch wieder nicht.

Ich betrat also den Laden, stellte fest, dass der einzige Raum winzig war und erhielt aus der Küche einen fröhlichen Ruf: „Hallooooo!!“ Was soll man da anderes machen als zurück zu rufen und sich in einen der Gartenstühle fallen zu lassen?

Die Frau, die einen Moment später aus der Küche kam, sie machte auf resolute und gleichzeitig äußerst herzliche Art und Weise deutlich, wer die Chefin dieses kleinen Etablissements war. In ihr alles andere als akzentfreies Deutsch mussten wir uns erst reinhören – erschwert wurde das dadurch, dass sie ständig mitten im Satz ins Englische verfiel. Da muss man erst mal mitkommen. So bilingual verlief dann auch der restliche Abend.

Mein Freund war etwas früher da gewesen und hatte schon bestellt. Mir blieb nur übrig, ein Getränk zu wählen – afrikanische Fanta, die, in einer Glasflasche serviert, ganz offensichtlich von weit her importiert worden war.

Als „Gruß aus der Küche“ gab es danach einige Scheiben Kochbananen und ein Häufchen sämigen Bohneneintopf. Beides nebeneinander auf einem Teller, mit einer Gabel für jeden. Ich dachte: „Das kann man doch nicht mischen.“ – Doch, das kann man offenbar, die süße Banane mit der salzigen Paste. Und ich muss sagen: Einzeln schmeckten die Sachen schon gut, aber der Kracher war es, beides gleichzeitig zu essen.

Anschließend war Lehrstunde. Die zwei anderen Gäste und wir wurden darüber aufgeklärt, wie man dieses und jenes Essen zubereitet, wie wenig Arbeit das ist, dass Frauen gut kochen und putzen müssen, damit ihnen die Männer nicht weglaufen sowie weitere Selbstverständlichkeiten. Hatte ich erwähnt, dass die anderen Gäste zwei junge Frauen im Studentinnenalter waren? Naja, immerhin gab es auch einen Lehrfilm, nämlich ein Video aus ihrem YouTube-Channel, mit dem wir lernten, wie die Art von „Kartoffelpüree“ hergestellt wird, die wir alle vier bestellt hatten. (Nur, dass dieses Gericht nicht aus Kartoffeln gemacht wird. Ich kann aber beim besten Willen nicht sagen, aus was stattdessen.) Das Video lief auf einem iPad in voller Lautstärke, während die Chefin, Bedienung und Köchin sich zurück an den Herd verzog.

Nach dem vierminütigen Lehrstück hatten wir das erste Mal Zeit, uns zu unterhalten. Die Ruhe währte aber nicht lange, weil offenbar die nächste Fortbildungsrunde anstand. Unsere Entertainerin ging zur Eingangstür, zog einen Schlüsselbund aus der Hosentasche und schloss die Tür von innen ab. Unsere fragenden Gesichter ließen sie erklären, dass hier ab und zu komische Menschen rein kämen. Sie wolle nicht, dass wir diese eigenhändig wieder nach draußen bringen müssten, außerdem wären ja jetzt auch alle Gäste da. – Laufkundschaft erwartete sie wohl nicht.

Unter weiterem Redeschwall über „white women“ und „white men“, Kulturunterschiede, Essensgewohnheiten und so weiter brachte sie den Damen zwei und uns eine farbige Plastikschüssel, die zur Hälfte mit Wasser gefüllt war. Ich nahm anfangs an, das sei ein Teil der Mahlzeit und wurde sofort von ihr ausgelacht.
Sie: „This is water, young man. You clean your fingers.“
Ich: „???“
Sie: „You eat with fingers!“

Ah, so war das. Gemein, dass bei der Vorspeise eine Gabel gelegen hatte. Nun denn, wir machten unsere Finger sauber und harrten dem, was da kommen mochte. Was dann auf dem Tisch landete, erinnerte mich im ersten Augenblick an das, was man in einem indischen Restaurant serviert bekommt: Wir bekamen jeder ein kleines Schüsselchen mit einer Fleischmahlzeit, auf dem Teller befand sich außerdem ein handtellergroßer Klecks des besagten „Kartoffelpürees“. Das war’s.

„Wenig üppig“, dachte ich erst, „aber das ist beim Inder auch immer trügerisch.“ Das traf auch zu, denn wir schafften das Essen nur mit etwas Kämpfen. Wir rissen also Stückchen aus dem recht klebrigen Püree und tunkten es in die Fleischsoße, oder wir nahmen uns mit den Fingern ein Stück Fleisch. Problem dabei: das Essen war ganz schön heiß… Ich habe mir zwar schon häufiger beim Essen den Mund, aber noch nie die Finger verbrannt.

Nach dem Essen und erneuten Fingerwaschen näherte sich der Abend seinem Ende. Die Damen bekamen Visitenkarten zusammen mit einigen weiteren wertvollen Haushaltstipps sowie ein paar Lachsalven, weil sie nicht viel kochen konnten, sondern nur backen. Wir erhielten weise Blicke und Hinweise darauf, dass diese jungen Damen dennoch sehr patent aussähen und äußerst nett schienen.

Die letzte Überraschung bestand in der Rechnung: Denn statt einem Kassenbon oder einem ausgefüllten Quittungsformular erhielten wir eine handbeschriftete Karteikarte mit feinen Linien darauf, so wie man sie zum Vokabellernen benutzt. Sie hatte Datum, bestellte Mahlzeiten, deren Preise und die Summe aufgelistet sowie einen kleinen Firmenstempel aufgedrückt. Perfekt.

Wir verabschiedeten uns bei der Hausherrin mit Handschlag, denn alles andere wäre nach einer solchen Vorstellung unpassend gewesen.

Unser Abend im Oji Best Africano war ganz anders als erwartet. Ich habe schon in fernen Ländern europäischer gegessen als in diesem kleinen Bistro-oder-was-auch-immer in Bonn-Castell. Die Herzlichkeit der Inhaberin war schwer zu überbieten, Lautstärke und Dominanz allerdings auch nicht. Das Essen fanden wir absolut großartig, sogar die Getränke waren allesamt importiert.

Uns wurde eine spannende Show afrikanischer Lebensart geboten, die ich so schnell nicht vergessen werde. Auch wenn ich anfangs Schwierigkeiten hatte, mich darauf einzulassen – ohne das wird es nämlich nicht funktionieren. Die gleiche Erfahrung machten wohl zwei äußerst gut und teuer gekleidete Chinesinnen, die nicht lange blieben und unter scheinbar vorgeschobenen Gründen schnell wieder Reißaus nahmen.

Wir überlegten stattdessen, ob wir das kleine Bistro mit seinen zehn Tischplätzen wohl einmal komplett für eine Feier mieten könnten. „Klar“, lautete da die Antwort, wir sollten nur vorher anrufen.

Ich freue mich schon drauf!

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert