Skifahren

Sich morgens aus dem Bett schälen, noch müde von gestern. Aber die Vorfreude auf den Tag kribbelt im Bauch und macht wach – sogar die Sonne scheint!

Ein deftiges Frühstück wartet, zu viel gibt es nicht. Für später packen wir uns ein Brötchen ein. Dann geht es in den Keller zur Holzheizung. Alles trocken und warm. Anziehen, losfahren. Im Auto müde Augen und wenig Gespräch. Parken, Anstellen und in die Gondel steigen. Warten. Die Aussicht genießen. Herzklopfen.

Wenig später ist es da: Das ersehnte Knirschen von Schuhen im Schnee. Wir schnallen uns die Bretter an die Schuhe und es geht los. Kalte Luft im Gesicht und den Lungen, das unverwechselbare Geräusch, das Skier auf frisch planiertem Schnee machen.

Ein Skiurlaub ist anders als ein Städtetrip, ein Strand- oder Partyurlaub. Allem voran ist er eines: anstrengend! Bislang waren wir immer die gesamte Öffnungszeit des Hauptliftes auf der Piste, also von etwa 8:30 bis 16 Uhr. Unterbrochen wurde der sportliche Teil nur von den Zwangspausen im Lift und einer Mittagspause in einem der vielen Restaurants entlang der Routen.

Die Folge solcher Urlaube war darum immer, dass ich nach einer Woche oder zehn Tagen körperlich völlig erschöpft nach Hause kam und ausschlafen musste. Außerdem sah ich dank wenig professioneller Skiausrüstung immer komisch aus: weiße Augenpartie durch die Sonnenbrille, aber verhältnismäßig braune Gesichtshaut. Jedenfalls da, wo die Mütze nicht hinkam. Es war ein Trauerspiel. Manchmal gab es als Zugabe sogar heftigen Sonnenbrand auf der Nase. Dann musste eine Joghurtmaske her. Dazu existieren, soweit ich das sehen kann, leider keine Fotos – aber ich sah wirklich albern aus.

„Was ist denn so toll am Skifahren?“

Wenn ich das gefragt werde, gerate ich immer ins Schwärmen. Es sind die Luft, die viele Bewegung und die großartige Aussicht. Das alles vermischt sich bei mir zu einem Gefühl der Freiheit, das schwer zu beschreiben ist. Klar, es ist nicht ganz billig. Und ja, ganz sicher auch nicht gut für die Umwelt. Aber das ist ein Flug auf die Malediven auch nicht…

„Alle Tage auf der Piste, wird das nicht langweilig?“

Skiurlaube sind auch die Urlaube, bei denen die meisten lustigen Geschichten entstanden sind. Leider sind sie nur für diejenigen witzig, die dabei waren. Sogar das eine Mal, als ich mir meinen Ellenbogen ausgerenkt habe – vom Jetzt aus betrachtet war das auch ganz amüsant.

Es gab da mal eine Piste mit dem Namen „Geisterbahn“. Ein paar große und schiefe Comic-Geister und -Hexen auf Holzbrettern waren da an die Bäume genagelt. Und: Die Route wurde nicht planiert. Sie führte einfach durch ein extra dafür freigegebenes Waldgebiet. Wir fuhren also buchstäblich über Stock und Stein, mussten auf Bäume aufpassen und auf Bodenwellen. Das war schon spaßig. Beim Skiverleih wurde immer darum gebeten, diese Bahn zu meiden – weil Steine schlecht für die Skier sind. Aber daran hielten wir uns natürlich nicht. Hatte es in der Nacht geschneit, lag überall Tiefschnee und die Wege des Vortags waren verschwunden. Es war jedes Mal neu spannend.

Im Zillertal durften wir „die steilste präparierte Piste Österreichs“ fahren. Passenderweise heißt sie Harakiri. Der Berg war tatsächlich eindrucksvoll steil und ließ das Herz höher schlagen. Dort gab es auch eine Buckelpiste, also mit absichtlich vielen Hügelchen versehen, auf der man seine Fahrkünste in schwierigerem Gelände testen konnte.

Langweilig wird es da nie. Und falls man Gefahr läuft, ewig die gleichen Pisten zu fahren, dann begibt man sich nach Italien und in die Dolomiten. Dort gibt es das Bergmassiv Sella, das inmitten einiger Skigebiete liegt und sie alle miteinander verbindet. Wer sich auf die Sellaronda begibt, macht eine Tour einmal komplett um das Massiv herum. Für die etwa 40 Kilometer benötigt man einige Stunden und fährt dabei keinen Lift zwei Mal. Und am nächsten Tag? Da fährt man die Runde in umgekehrter Reihenfolge! Wir sind natürlich einmal steckengeblieben, weil wir zu spät losgefahren waren. Tja, da half nur ein kleines Sammeltaxi nach Hause.

Oder das eine Mal, als wir mit einer Bekannten unterwegs waren, die sehr schlecht sieht. Sie hatte keine speziell angefertigte Skibrille und traute ihren Anfängerkünsten nicht, so dass sie ihre Brille immer in der Herberge ließ. Das Ergebnis: Sie sah nichts und fuhr mehr oder weniger blind. Also rief sie einmal, als sie geradewegs auf einen steilen Abhang zusteuerte, der auch noch mit einem „Vorsicht Lawinengefahr“-Schild versehen war: „Jetzt rechts abbiegen, oder?“ Das wäre schlecht, also brüllten wir alle im Chor: „NEIN, LIIIINKS!“ – Findet man es als Jugendlicher eigentlich traditionell wahnsinnig witzig, wenn andere auf den sicheren Tod zusteuern?

Ans Skifahren habe ich dennoch rundum gute Erinnerungen, trotz einiger Zerrungen, Verrenkungen und der genannten Ellenbogenauskugelung. Die mir übrigens den geilsten Drogentrip meines Lebens bescherte – übrigens auch den teuersten. Selbst bei dickem Nebel, eiskaltem Wind und Schneegestöber, das wie tausend Nadeln im Gesicht piekst – diese Situationen dienen hinterher immer noch für eine gute Geschichte.

Man könnte es eigentlich wieder einmal tun. Nicht das mit den Schmerzen. Lieber das mit dem Spaß. Und das mit den Ascheklößen.

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