„Könnt ihr bitte leiser spielen?“

Ich werde alt.

Das allein ist nichts Besonderes. Aber wir haben da diesen Spielplatz. Direkt hinterm Haus. Der, so scheint es, Familien dazu bringt, hier gerne hin zu ziehen.

Wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, ziemlich müde bin und ein kleines, wie heißt das heutzutage, „Powernapping“ machen möchte, dann ist das manchmal gar nicht möglich. Weil Rutscheautos über den Steinboden gezogen werden müssen. Weil man mit lautem Geschrei Fußball spielen muss. Und weil die ersten zwischenmenschlichen Konflikte ausgetragen gehören. Genau vor meinem Schlafzimmerfenster. So sehr ich die sonnigen Monate mag, ein klirrend kalter Winter hat auch seine Vorzüge.

Ja, und wenn ich mich solchen Gedanken hingebe, dann komme ich mir vor wie ein alter Griesgram, der Kindern ihren Spaß nicht gönnt. Der durch wütendes „Ruhe!“-Brüllen seine eigene Blödheit kaschiert, denn er ist ja freiwillig in eben diese Wohnung gezogen, obwohl der Spielplatz mitsamt den Kindern schon länger da war.

Und dann endlich denke ich an meine eigene Kindheit und muss lächeln.

Ich wuchs in einer Sackgasse auf. Da gab es diesen Wendehammer, in dem wir immer spielten. Zum Beispiel Verstecken: Es gab keine Straßenbeleuchtung und abends konnten wir uns prima hinter Hecken, Bäumen und in dunklen Hauseingängen verstecken. Oder wir veranstalteten eine Partie Brennball mit den Nachbarskindern. Dafür malten wir mit Kreide das Spielfeld auf den Boden und konnten uns einen ganzen Tag vergnügen. Und natürlich fuhren wir mit unseren Fahrrädern, Rollschuhen und Skateboards die Straße hinauf und herunter. Mit anderen Worten: Wir lebten in den sonnigen Monaten förmlich auf dieser Straße. Ach ja, in der frühen Kindheit waren natürlich Rutscheautos das Fortbewegungsmittel der Wahl.

Die Nachbarn sagten nie viel. Wir wussten, dass wir sie störten. Wenn wir im Dunkeln Verstecken spielen wollten, baten wir einen von ihnen manchmal, seine Hausbeleuchtung auszuschalten. Er tat es nur widerwillig. Eine Nachbarin verbat uns, mit dem Fußball gegen ihre Garage zu schießen, damals völlig unverständlich für uns. Sie lebte zurückgezogen und wurde nur selten gesehen – nach einigen Verboten wurde ihre Hauseinfahrt für uns zum Sperrgebiet.

Heutzutage liege ich mit offenen Augen im Bett und höre dem Geschrei und Gezeter auf der anderen Seite des Fensters zu. Ich bin in Gedanken in meiner Kindheit, denke, dass ich damals sicher viel leiser gespielt habe, stelle fest, dass das ganz bestimmt nicht wahr ist, und schlafe mit der Zeit wirklich noch ein. So ist es immer.

Bis der nächste Fußball an die Häuserwand knallt.

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