Das war der Oktober 2025

31. Oktober 2025 · Kommentieren

Im Oktober bekam ich ein neues Auto, feierte nicht vorhandene Buffetschlangen, besuchte eine Cruising-Area im Wald, amüsierte mich über Sprache, dachte über das Altern nach, ärgerte mich über meine Brille, fürchtete mich vor Zahnproblemen und las und hörte Bücher.

Der Monat startete mit Husten, den ich mir aus September mitgebracht hatte. Eines Tages saßen wir zu zweit über Töpfen mit heißem Wasser, jeweils ein Handtuch über dem Kopf, und inhalierten. Ein schönes Bild, und der Husten verging dann nach ein paar Tagen endlich.

Dann bekam ich ein neues Auto. Lang ersehnt! Und es ist ja so: Als Erwachsener weiß man, dass man Vorfreude als ganz elementaren Bestandteil der Freude rund um eine neue Anschaffung, eine Reise oder was auch immer nutzen kann. Ich ließ mich darum bewusst gehen und stand am Tag der Tage nervös am Fenster, als der Lieferwagen kam. Das Auto wurde abgeladen, unter lautem Gepiepse, und für den Moment blockierte der Lieferwagen die Straße. Um 17 Uhr! Anders ausgedrückt: Diejenigen Nachbarn, die nicht wegen des Lärms raus schauten, wurden beim Heimkommen blockiert. Alle, einfach alle bekamen mit, dass ich ein neues Auto erhielt. Etwas peinlich. Die Anmeldung bei der Stadt konnte ich danach online durchführen und bin nachhaltig überrascht, dass das geklappt hat.

Eine der ersten echten Fahrten mit dem Auto führte mich auf die Waldau, ein, wie der Name schon sagt, Waldgebiet. Im dort ansässigen Gasthaus Waldau feierte mein Arbeitgeber eine große Party. Der einmalige Anlass war „unser“ hundertjähriges Bestehen und obwohl wir fast 150 Personen waren, gab es am Buffet keine Schlange. Ich erwähne das, weil das doch jeder kennt, der mal bei einer Feier mit Buffet war, egal ob Grillabend oder großes Event: Wird zum Essen gerufen, steht man erstmal mit dem Teller in der Hand und wartet. Obendrein war das Essen sehr gut, die Feier auch, und die Waldau ist sowieso einen Ausflug wert.

Anderntags war ich schon wieder im Wald, wieder in Bonn, aber auf der anderen Rheinseite, in der Nähe des Dornheckensees. Wer aus Bonn kommt, weiß in der Regel, dass man hier nicht nur schön spazieren kann, sondern dass sich hier auch eine schwule Cruising-Area befindet. Hier ist mir mal etwas sonderbares passiert: Ich hatte einer Freundin erklärt, weshalb sich zu jeder Tages- und Nachtzeit auf dem winzigen Parkplatz Autos mit Männern darin befänden, die definitiv nicht ihren Hund spazieren führten. Eines Abends fuhren wir dort vorbei und beschlossen, spaßeshalber zu halten.

Beim Aussteigen wurden wir von den anderen beäugt, sie eher kritisch, ich wohl eher, äh, inhaltlich. Am schmalen Pfad, der vom Parkplatz in den Wald führt, steht eine Schranke. Daran lehnte ein Typ, der es sichtlich genoss, dass wir uns eng an ihm vorbei zwängen mussten, und der keinen Zentimeter zur Seite wich. Nun. Es war Herbst oder Winter, und nach wenigen Metern wurde es so düster, dass wir nur noch wenig sehen konnten – es war die Zeit vor Handytaschenlampen. Auf einmal zeichnete sich im Stockdunkeln vor uns etwas Weißes ab, sah erst aus wie ein Geist, wurde dann menschengroß und als wir wenige Meter davor standen, erkannten wir: Da stand ein Mann im schneeweißen Bademantel. Was er drunter trug, oder ob überhaupt etwas, entzieht sich meiner Kenntnis. Wir beließen es dabei und kehrten um. Also: Der Dornheckensee ist einen Besuch wert. Er ist schön, die Wanderwege sind gut und je nach Tageszeit erlebt man dort auch richtig was.

Weniger aufregend aber auch lustig sind die sprachlichen Wunderlichkeiten, die in diesem Haushalt immer wieder auftreten. Wir sprechen insgesamt drei Sprachen, Deutsch, Chinesisch und Englisch, wobei ich nur zwei davon beherrsche. Standardsprache ist Englisch, und darin erzählte mein Freund mir etwas von einer Rede, die Angela Merkel eines Tages gehalten haben soll. Darin ging es offenbar um einen Transpirat. – Ich war verwirrt und fragte nach. Einen was? – Einen Trans…pirat? – Wir überlegten und wurden bald fündig. Gemeint war der Transrapid. Höhö!

Wie wird es werden, wenn ich mal alt bin? Ich denke manchmal darüber nach, wie die Welt in Deutschland und der gesamten EU dann wohl für Senioren sein wird. Derzeit bin ich ziemlich pessimistisch und rechne mit zwei Optionen: In Deutschland zugrunde gehen oder in Asien zufrieden leben. Konzeptvideos wie dieses bei Reddit stützen den Gedanken auf allen Ebenen. Es ist sowohl absolut gruselig, sich im Alter von einem Roboter derart helfen lassen zu müssen, andererseits macht es Hoffnung, dass Technik vielleicht wirklich etwas von dem übernehmen kann, was Menschen dann nicht mehr werden tun können.

Roboter können möglicherweise auch besser damit umgehen, wenn sie von Kunden angeschnauzt werden. Ich war im Oktober unangenehm häufig bei der Optikerkette meines Vertrauens, welches jedoch bei jedem Besuch ein wenig mehr schwindet. Im März bekam ich eine neue Brille, randlos. Im April fiel sie in der Mitte auseinander und wurde geklebt. Jetzt, im Oktober, passierte das gleiche wieder. Ich stand mit einer bösen Bugwelle im Laden und die Brille wurde wieder geklebt. Drei Tage später wackelte sie schon wieder, am nächsten Wochenende stand ich wieder da und sie wurde schon wieder geklebt. Das ist der letzte Versuch, danach muss eine neue her, und ich werde die nicht bezahlen. Unflätig war ich nicht geworden, nur deutlich, aber beim zweiten Termin stand ich zufällig vor der gleichen Angestellten, die mich erkannte und lieber zu einem Kollegen weiterverwies. Kann man ihr nicht verdenken.

Vielleicht war es eine Revanche des Universums, dass der Zahnarzt einige Tage später bei einer Routinekontrolle feststellte, dass eines meiner zwei Zahnimplantate wackelt. Ganz leicht nur, und der Wackelraum ist auf dem Röntgenbild für einen Laien überhaupt nicht erkennbar. Aber er sagte: „Dieser Schatten hier“, und bestehen Röntgenbilder nicht eigentlich hauptsächlich aus Schatten?, jedenfalls, „dieser Schatten, der gefällt mir nicht, der müsste viel kleiner sein.“ Iih. Nun sind jedenfalls erste Maßnahmen ergriffen und in drei Monaten wird man sehen, ob’s geholfen hat. Ich kaue erstmal vornehmlich links.

Abgesehen von Gesundheitlichem habe ich im Oktober wieder angenehm viel gelesen und Hörbücher gehört. Mein Gamification-Jahresziel von 75 Büchern und Hörbüchern habe ich nun erreicht, mal sehen, ob es 100 werden. Unter anderem beendete ich:

  • „Tage ohne Ende“ von Sebastian Barry: Irres Setting von schwulen Cowboys in den USA um die 1850er. Es ist, anders als es scheinen mag, kein Feelgood-Porno, sondern eine mitunter brutale Geschichte über Krieg, auch den Bürgerkrieg, Militär, aber auch über Liebe, Geschlechterrollen, Kulturcrash und Familie.
  • „Der große Plan“ von Wolfgang Schorlau: Ein toller Krimi, der erst altbekannt startet. Eine Frau ist verschwunden und wird gesucht. Der Ermittler stellt schnell fest, dass das Verbrechen etwas mit der Griechenlandkrise zu tun hat, und dass es um sehr viel Geld geht. Zwischendurch wird fast schon wissenschaftlich der Begriff Geld erklärt, und wie Banken und Institutionen aus Krisen Profit machen.
  • „Man kann auch in die Höhe fallen“ von Joachim Meyerhoff: Ich war beeindruckt und enttäuscht, siehe hier.
  • „Max und Moritz“ von Wilhelm Busch: Klassiker, und nur mit den Zeichnungen richtig zu genießen! Ritzeratze! Voller Tücke, in die Brücke eine Lücke. Mit derlei Werken lassen sich übrigens schnell 100 Bücher lesen.
  • „Unterm Rad“ von Hermann Hesse: Das Buch lasen wir früher in der Schule. Es geht um das Heranwachsen eines begabten Jungen, Hans, der von allen Seiten so dermaßen in seinem Weiterkommen gefördert wird, dass die ganze Sache nach hinten losgeht. Das Buch, heutzutage würde man es einen Coming-of-age-Roman nennen, ist fast 120 Jahre alt und hat bei der Kernaussage leider an Aktualität nicht viel verloren.
  • „Damals, am Meer“ von Marco Balzano: Ein schönes Buch, aus dem Hitze aufsteigt und Salz rieselt. Drei Männer, Großvater, Vater und Sohn, unternehmen eine Reise von Nord- nach Süditalien, um eine Wohnung zu verkaufen, die seit Jahrzehnten in Familienbesitz ist. Alle verbinden unterschiedliche Dinge damit und lernen bei diesem Trip sich und untereinander besser kennen. In dem Buch fand ich einen tollen Schachtelsatz mit neun Kommas. Zusammenhanglos:

Damals, als er mir andeutungsweise von dieser Reise berichtet hatte, ich könnte nicht genau sagen, wann, hatte er, erinnere ich mich, stolz in Hochitalienisch, der gehobenen Sprache, erzählt, dass er im Zug quer durch Europa gefahren und nach fast zwei Tagen im tief verschneiten Moskau angelangt war.

– Marco Balzano, „Damals, am Meer“


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