Die erste eigene Wohnung

Neulich bin ich umgezogen. Es war mein vierter Umzug und ich kann nicht sagen, dass mir solche Dinge besonderen Spaß bereiten würden. Neben der ganzen Schlepperei bringt eine neue Wohnung zu viel Bürokratie mit sich, bis dann endlich auch die letzte Versicherung über die neue Adresse informiert ist.

Umzüge bedeuten – zumindest bei mir – ja immer auch einen neuen Lebensabschnitt. Es kann sein, dass das ganz automatisch passiert, weil sich das eigene Umfeld in der Regel einfach stark ändert: Das Schlafzimmer, die Küche, die Aussicht, die Gegend, vielleicht sogar die Stadt oder das Land.

Meine erste eigene Wohnung war in Lohmar, das liegt im Rheinland zwischen Siegburg und Köln. Lohmar war ein Durchfahrtsort mit drei großen Wohnblöcken am Stadtrand, ganz in der Nähe zu meiner Arbeitsstelle im Zivildienst. Die Häuser des Wohnblocks hatten jeweils sicher über zehn Stockwerke und waren recht heruntergekommen. Es gab einen alten, zum Parkplatz umfunktionierten Tennisplatz und einen Pool, der niemals gereinigt wurde und in dem ich in anderthalb Jahren nur einmal Leute sah.

Meine Wohnung befand sich im zweiten Stock und wurde zwar offiziell leer vermietet, allerdings standen einige große Möbel vom Vormieter darin. Überhaupt sah die Wohnung komisch aus: Als wäre der Vormieter einfach irgendwann nicht mehr wieder gekommen. Der Eigentümer erwähnte etwas von der Polizei und Gefängnis – mehr wisse er aber auch nicht.

Da ich die Möbel übernehmen musste, sie aber allesamt nicht mochte, stand erst einmal Ausräumen bevor: Eine für die 25qm-Bude übergroße Leder-Couch und ein gefliester Metalltisch. Unter der Ledercouch fanden wir ein Kassettendeck und ein Skalpell. Außerdem gab es einen wuchtigen Kleiderschrank, der vor einer Aussparung in der Wand stand. Zu meiner Überraschung fanden wir dahinter allerdings nichts.

Nach der Renovierung – ein neuer Boden kam auch rein – zog ich ein und stellte bald fest, dass ich nun den Kühlschrank wohl selbst füllen musste. Also ging ich das erste Mal für mich allein einkaufen und stand überfordert im Supermarkt: Was kauft man denn? Brot? Aufschnitt? Welchen der vielen Joghurts? In der nächsten Zeit lernte ich schnell, dass es sich lohnt, einen Einkaufsplan zu machen, denn sonst geht man täglich einkaufen, weil ständig etwas fehlt. Ich lernte auch, dass Pizza aus der Mikrowelle zwar genießbar ist, aber nicht lecker schmeckt, und dass diese Regel nicht für American Pizza mit dickem Boden gilt, weil dieser die Konsistenz eines Spülschwamms annimmt. Ich lernte außerdem die Entspannung eines heißen Tees auf dem Balkon am Morgen zu genießen und was es bedeutet, so lange ausschlafen zu dürfen, wie man will.

Eine Weile nach meinem Einzug klingelten immer wieder Menschen an der Tür und wollten meinen Vormieter sprechen. Sie alle drückten ihr Begehren nur unklar aus, aber sie wollten offenbar Dinge von ihm kaufen. Dass es sich dabei um Drogen handeln könnte, wurde mir erst später klar. Für eine eher temporäre Bleibe meines Vormieters sprach auch die Tatsache, dass wir in der Bude gar kein Bett gefunden hatten. Die Besuche hörten aber irgendwann auf.

Eines Tages erhielt ich ein Paket und der Postbote war so nett, es bis an meine Wohnungstür zu bringen. Während ich den Empfang quittierte, stellte er sich auf die Zehenspitzen, schaute über meine Schulter in die Wohnung und fragte dann: „Ist das nicht die Wohnung, in der mal die Leiche gefunden wurde?“ – Diese Frage und all diejenigen, die sich daraus ergeben, habe ich bis heute nicht beantworten können und bin darüber auch ganz froh.

Ich blieb nicht allzu lange dort wohnen, denn nach dem Zivildienst verschlug es mich nach Bonn und glücklicherweise in eine viel schönere Wohnung. Dort erlebte ich übrigens auch eine erzählenswerte Geschichte, über die ich hier berichtet habe.


Titelfoto: Matthew Henry/StockSnap.io

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