Schreiben im Café

Neulich erst schrieb ich von Jugendsprache und hätte diesen Artikel jetzt fast angefangen mit: „Heute habe ich mal dieses hipster ausprobiert.“ Zum Glück beginnt der Artikel nun anders, denn Hipster sagt wohl auch keiner mehr.

Versehentlich den richtigen Ort gefunden

Wie dem auch sei: Ich habe kürzlich in einem der Cafés gesessen, in denen in der Karte Bio-Eier als Bio-Eier ausgezeichnet sind, deren Eigelb so gelb ist, dass es schon fast künstlich aussieht. Solche Etablissements gehen mit der Zeit, deshalb werden bei der Kaffeeauswahl neben Kuhmilch auch Optionen mit weniger umweltschädlichen Nebenwirkungen angeboten, und: Einige der Speisen müssen nahezu unaussprechlich benannt sein, um kundenseitig die Spreu vom Weizen trennen zu können. Wobei diese Metapher schlecht gewählt ist, denn Weizen ist ja wirklich mehr als out.

Also, ich saß jedenfalls alleine in einem Laden mit all diesen Eigenschaften (unaussprechlich waren die Gerichte in dem französischen Kettencafé für mich nur, weil mein Französisch eingerostet ist) und hatte vermutlich etwa eine Stunde totzuschlagen, ganz genau wusste ich es nicht. Mein Job war es, hier zu sitzen und auf einen Anruf zu warten.

Versehentlich die richtige Beschäftigung gewählt

Die erste halbe Stunde verwendete ich fürs Frühstück, erstens weil ich noch keines hatte und zweitens, weil ich an französischem Baguette so oder so nur schwer vorbei gehen kann. Wenn dann noch Marmelade dazu gereicht wird, bin ich zwar verloren, aber das sehr gerne. Beim Essen schaute ich einen Film auf dem Smartphone – natürlich mit Kopfhörern.

Für den Rest der Zeit sah ich folgende Optionen:

  • Auf dem Kindle ein eBook lesen
  • Auf dem Smartphone besagtes eBook lesen, den Film weiter schauen oder etwas schreiben
  • Auf dem Laptop etwas schreiben
  • In die Gegend schauen

Die letzte Option wäre die gesündeste gewesen, aber ich habe es verlernt, einfach so da zu sitzen und nichts zu tun. Ich bewundere Menschen, die das noch können, bin aber gleichzeitig zu faul, es wieder zu lernen.

Den Handy-Akku wollte ich schonen, weil wie gesagt nicht ganz klar war, wie lange ich hier würde sitzen müssen (und das war auch der Grund, weshalb ich so viel Elektronik dabei hatte). Ich entschied mich gegen das Lesen, wischte mir die klebrigen Marmeladenfinger sauber, zückte den Laptop und fing einen Tagebucheintrag an. Im Raum hingen Spiegel, aber ich hatte mich vorsorglich so gesetzt, dass niemand den Bildschirm sehen konnte.

Versehentlich einen Text verfasst

Da saß ich nun: Noise cancelling-Kopfhörer und gemütliche Musik in den Ohren, einen Kaffee neben mir und den Laptop auf dem Tisch. Wie so ein Hip… äh, wie jemand, der das halt so macht.

Überraschenderweise kam dabei tatsächlich ein inhaltlich logischer Text heraus, wobei er etwas von stream of consciousness hatte und ich sicher die Hälfte hätte streichen können, aber das kommt bei mir häufiger vor, in diesem Blog gibt es ausreichend Beispiele.

Ich war verwundert, dass ich überhaupt etwas zu „Papier“ bringen konnte. Denn es wurde um mich herumgelaufen, Stühle wurden gerückt, Geschirr klapperte und ständig drangen leicht noise gecancelte Gesprächsfetzen von Gästen und Bedienungen zu mir durch.

Trotz all dem Gewusel!

Im Schreibzeug-Podcast hat die Autorin Diana Hillebrand einmal gesagt, sie könne in Cafés ganz wunderbar schreiben. Vielleicht sind es das unbestimmte Gemurmel und die etwas paradoxe gemütliche Geschäftigkeit um sie herum, die das möglich machen.

In einem Freibad könnte ich bestimmt toll schreiben, denke ich gerade. Da ist immer was los, es gibt Geschrei, Wasser spritzt, Jugendliche rennen umher, es riecht nach Sonnencreme und diesen typischen Freibad-Pommes. Gleichzeitig liegen die Menschen faul auf ihren Handtüchern herum und dösen. Wie in einem Café finden Geschäftigkeit und gemütliches Entspannen gleichzeitig am selben Ort statt.

Vielleicht ist das der Grund, weshalb manche Menschen sich an lauten und wuseligen Orten gut konzentrieren können. So lange sie sich natürlich in der Rolle der Entspannenden befinden, also nicht Bademeister:innen oder Bedienungen sind. Und so lange keines der Gespräche direkt neben ihnen stattfindet, sodass sie nicht umhin können, zuzuhören, selbst wenn sie das gar nicht wollen.

Als irgendwann mein Telefon klingelte, hatte sich der Bildschirm wie von allein mit Text gefüllt. Zufrieden packte ich all die Technik wieder ein und nahm beim Gehen noch ein paar dieser unaussprechlichen, französischen Süßigkeiten mit.

Vielleicht sollte ich dieses „im Café sitzen“ noch einmal bewusst angehen, ganz ohne externen Beendigungsfaktor, um dabei ganz entspannt diese gemütliche Geschäftigkeit anzuzapfen.


Image by Engin Akyurt from Pixabay

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