Warum moderne Smartwatches gegen eine Uhr der 90er einpacken können

Seit Jahren bin ich zufriedener Besitzer einer „Smartwatch“, also so eines kleinen Computers am Handgelenk, der mich regelmäßig erinnert, ausreichend zu trinken und auch mal wieder aufzustehen. Aber selbst wenn ich andere, sinnvolle Funktionen dieser Uhr wirklich gut finde, kommt das Gerät einfach nicht an das Glücksgefühl und den Spaß heran, welche mir in der Jugend eine ganz andere Uhr bescherte. 

Die Rede ist von der oben gezeigten Casio CMD-40. Die Uhr ist klobig und überraschend unsymmetrisch, sieht sogar richtiggehend schief aus. Sie besitzt neben einem digitalen Display viele Tasten: zwölf sehr kleine für Zahlen, drei Funktions- und vier Sondertasten. Über das Design der Uhr braucht man vermutlich nicht diskutieren, es ist wirklich daneben. Aber die Funktionen! 

Zuallererst beherrschte die Uhr die für die 90er normalen Dinge: Wecker, Stoppuhr und selbstverständlich auch ein Piepsen zu jeder vollen Stunde, womit man in der Schule den Lehrkräften schrecklich auf den Zeiger gehen konnte (pun intended). Auch ein Taschenrechner war vorhanden, der wegen der winzigen Tasten so gut wie unbenutzbar war. 

Die richtig irre Funktion brachten aber die vier Sondertasten mit sich. Denn diese Uhr hatte einen eingebauten Infrarotsender und konnte als Fernbedienung genutzt werden. Sie beherrschte nicht nur die gängigen Frequenzen aller großen Elektronikhersteller, sondern sie konnte auch mit einer Fernbedienung individuell angelernt werden. 

Ich konnte also vom Handgelenk nicht nur meine Stereoanlage und den Familienfernseher samt Videorekorder steuern, sondern aus dem Stand auch die meisten Fernseher in der Welt da draußen. 

Dank der Uhr habe ich im nächsten Elektronikmarkt beispielsweise mehrfach Tränen gelacht. Ich ging gerne an ahnungslosen Kunden vorbei, die sich die Bildqualität eines Fernsehers anschauten, und knipste das Gerät aus. Ein absolut sicherer Trick, denn ich wurde nicht ein einziges Mal verdächtigt. Die Kunden begannen, an sich selbst zu zweifeln, als mehrfach hintereinander die Fernseher vor ihren Augen ausgingen.  

Natürlich wurde mir auch im Familien- und Freundeskreis niemals geglaubt, dass meine Armbanduhr eine Fernbedienung sei und ich gewann so die eine oder andere Wette. 

Einmal stand ich in einem Museum, in dem viele kleine Informationsfilme auf Fernsehern liefen. Es war schon etwas auffällig, dass ich eine Spur dunkler Geräte hinterließ. Gerade, als sich im Glasboden unter mir der Bildschirm ausschaltete, ging ein verwunderter Museumsangestellter in meine Richtung und ich knipste die Kiste wieder an. Leider zeigte das Gerät nicht das richtige Bild, aber ich hatte keine Zeit, durch die Sender zu zappen. Trotzdem kam ich auch hier noch mit dem Schabernack durch. 

Nicht ganz erfolgreich verlief der Streich allerdings in der Schule. Wir sollten einen Film schauen, damals hochmodern auf einem Röhrenfernseher. Ich saß in perfekter Reichweite zum Gerät und hatte eigentlich gar nicht vor gehabt, zu intervenieren, weil ich gerne Filme schaute. Ein besonders frecher Klassenkamerad ermunterte mich jedoch, also wechselte ich ständig die Sender, als es losgehen sollte. Unsere Lehrerin kam uns allerdings auf die Schliche und richtete sich an die Klasse: „Ich verstehe nicht, was hier geschieht, aber ich weiß, dass ihr etwas damit zu tun habt. So lange das Gerät nicht richtig funktioniert, macht ihr jetzt Stillarbeit.“ – Und damit drückte sie den Netzschalter am Fernseher. 

Da saßen wir also, und ich war dafür verantwortlich, dass die ganze Klasse doofe Stillarbeit machen musste. Das wussten zwar nur wenige, aber ich hatte ein schlechtes Gewissen. Leider konnte ich das Gerät ohne Strom aber nicht mehr einschalten. Der freche Klassenkamerad hatte indes einen Plan: Er ging nach vorne zum Lehrerinnenpult, stellte eine völlig unwichtige Frage und auf dem Rückweg schaltete er heimlich den Fernseher wieder ein. Ich wählte sofort das nächstbeste Programm und unsere Lehrerin zeigte sich bereit, nun den Film einzuschalten. Glück gehabt. 

Über die Jahre hatte ich viele schöne und lustige Erlebnisse mit der Uhr. Im täglichen Leben erleichterte sie mir das Leben, weil ich in meinem Zimmer immer Musik laufen hatte und die Uhr natürlich leichter bei der Hand war als die Fernbedienung.

Aber jede gute Phase hat irgendwann ein Ende. Eines Tages brauchte ich eine neue Uhr und entschied mich für ein anderes Modell. Trotzdem: Dies war eindeutig die coolste Uhr meines Lebens!

8 Kommentare

  1. Oh ha. Was für ein Flashback. Auch ich habe mir diese Uhr gekauft und sehr lange getragen.
    Und die Wetten habe ich auch immer gewonnen. Einen Freund habe ich auf ner Party zum verzweifeln gebracht, weil er das bestimmte Lied auf der CD einfach nicht abspielen konnte danke meiner „skip“ Anweisungen.
    Herrlich. Danke dafür.

    1. Wie lustig, dass wir mit der Uhr die gleichen Lausbuben waren! Ja das war schon toll, dass man damit andere so necken konnte. Eine schöne Erinnerung.

  2. In meiner Jugend nutzte ich längere Zeit nur eine mechanische Taschenuhr. Die Kette wurde an der Gürtelschnalle befestigt, die Uhr selbst kam in die kleine Hosentasche der Jeans oberhalb der rechten Tasche, die dadurch einen sinnvollen Zweck erfüllte. Schon damals war ich anders.

    1. Das muss dann aber eine ziemlich kleine Uhr gewesen sein. Immerhin ist das die erste sinnvolle Nutzung dieser winzigen Hostentaschentasche, die mir begegnet. Ich verliere sonst gerne Einkaufswagenchips darin.

      Ach, guck mal, meine erste Uhr war auch mechanisch. Und das mit der Kette? Da folgte ich dir etwas später in meiner Entwicklung auch, als ich fand, das Portemonnaie müsse unbedingt angekettet sein. Trends wiederholen sich einfach…

  3. Was für eine schöne Geschichte! 🙂

    Casio scheint mir ein interessanter Hersteller zu sein: Einerseits bekannt für ,,Billiguhren“, für Spielereien und seit einiger Zeit wildern die auch in anderen Segmenten:

    Ich bin seit einiger Zeit sehr zufriedener Besitzer einer Casio Lineage und bin immer wieder erstaunt, was man für einen dann doch nicht ganz so hohen Preis für Qualität und durchdachten Funktionen bekommt – und schön finde ich die Uhr auch noch.

    1. Casio war lange für mich auch *die* Uhrenfirma. Und mir scheint, dass die immer noch ein sehr breites Spektrum an Geräten anbieten, damit fahren sie dann wohl ganz gut.

  4. Herrlich… ich kann mir gut vorstellen, wie sehr manche Menschen, gerade im Elektronikmarkt, an sich und der Welt gezweifelt haben müssen.

    Ich wollte so eine Uhr damals unbedingt haben, bis mein Klassenkamerad damit eines Tages erschien und ich bemerkte wie klein diese Nummerntasten waren. Ich hab ihm die Uhr sehr geneidet, wollte dann aber lieber doch keine eigene haben. 😀

    1. Ja, das war eine große Gaudi 😉

      Die Nummerntasten waren auch für die dünnsten Fingerchen zu klein, die konnte man nur mit dem Fingernagel bedienen. Einmal bestand ich zu Hause darauf, eine längere Rechnung damit zu machen und brauchte wegen „Tippfehlern“ drei Anläufe. Alle waren genervt 😀

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