Küchengedanken

„Welche war wohl die beste Reise meines Lebens? Hmm… Urlaubsreise oder Erfahrungsreise?“

Der Teig brutzelt leise vor sich hin. Langsam wird er dunkler und wöblt sich hier und da gemächlich in die Höhe. Mit dem Pfannenwender in einer Hand drücke ich gedankenverloren auf die Blasen, in der anderen halte ich einen Becher Kaffee.

Neulich bekam ich von einer waschechten Französin ihr Rezept für gute Crêpes. Natürlich ist es ein Standardrezept, aber der Gedanke, eine original französische Spezialität zuzubereiten, verleiht mir ein erhabenes Gefühl und den weichen Teigtellern einen ganz besonderen Geschmack. Alles Placebos.

„Wie oft man wohl in seinem Leben ein Placebo bekommt, ohne es zu merken? Von Mutti bestimmt oft, aber ob man die auch von echten Ärzten verschrieben bekommt?“

Möglicherweise ist das bei Hypochondrie sogar die beste Medizin. Gleiches mit Gleichem bekämpfen sozusagen. Der angenehme Geruch gebratenen Teiges gesellt sich zu dem von frisch gebrühtem Kaffee. Faule Morgen sind schön.

Seit Jahren habe ich morgens Probleme, aufzustehen. Früher war es nichts besonderes, ich stand einfach auf, wenn es nötig war und blieb liegen, wenn ich die Zeit hatte. Mittlerweile ist das anders: An faulen Morgen schwelt heutzutage manchmal der Gedanke im Hinterkopf, ganz dringend noch dieses oder jenes erledigen zu müssen. So fühlen sich wahrscheinlich Studierende in der Klausurenphase. Oder es ist Gewöhnung.

Umso schöner ist es doch, ohne Verpflichtung und in völliger Ruhe Teig in eine heiße Pfanne zu gießen und dabei zuzusehen, wie aus einer flüssigen Mischung von Zutaten etwas Essbares wird, das auch noch lecker schmeckt.

„Früher war irgendwie mehr Langeweile.“

Sich zu langweilen kann auch etwas gutes sein. Heute können wir uns ständig und überall beschäftigen – und wir sind es sogar gewohnt. Neulich wartete ich bei der Stadtverwaltung darauf, dass meine Nummer aufgerufen wird und wollte wie üblich mit dem Handy herumspielen. Leider gab es dort kein Netz und so war ich gefesselt an einige wenige veraltete Spiele, die keinen Internetzugang benötigen. Traumatisch.

„Wie haben wir uns in solch einer Situation früher beschäftigt? Wenn viele sich unbekannte Menschen herum sitzen und warten?“

Wie unangenehm ist es heutzutage, wenn man sich gegenseitig anschauen muss, weil es sonst nichts anderes gibt, wo man hinsehen kann… Ich fette die Pfanne mit einem öligen Küchenpapier. Der letzte Pfannkuchen wird immer kleiner als die vorigen. Und als erstes gegessen. Weil er so süß ist.

Wie früher beim Plätzchenbacken: Der übrig gebliebene Teig der Ausstechplätzchen wurde immer und immer wieder neu verknetet und ausgerollt, bis am Ende nur noch ein Kinderhändchen voll davon übrig war. Diesen Rest kneteten wir zu einem kleinen Brot oder zu einem winzigen Teller mit unseren Initialen darin. Das Ergebnis wurde nach dem Abkühlen als erstes gegessen – denn Unikate sind etwas ganz besonderes. Das sind wir übrigens alle. Unikate. Es macht jeden Menschen besonders… und gleichermaßen unwichtig. Ich wende den Mini-Pfannkuchen.

„Heißt das, wir werden nie eine Art Weltfrieden erreichen können, weil wir zu verschieden sind?“

Dieser Gedanke ist mir zu tiefsinnig. Ich schalte den Herd aus, setze mich an den Küchentisch und bestreiche den warmen Teigfladen mit Erdbeermarmelade.

Manchmal ist die beste Antwort auf große Fragen ein kleiner Pfannkuchen.

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